
In einem vom Landgericht Landshut ergangenen Endurteil vom 06.11.2020 AZ 51 O 513/20 urteilte das Gericht, das es keine generelle Schadensersatzansprüche für sog. Bagatelldelikte gibt.
Das Gericht hatte über die Klage eines Eigentümers einer Eigentumswohnung gegen eine Hausverwaltung und deren externen Datenschutzbeauftragten zu entscheiden.
Was war die Bagatelle und wie kam es zu dem Streit?
In der Wohnanlage gab es einen Legionellenbefall, von dem auch die Wohnung des Klägers betroffen war. Die Hausverwaltung sendete ordnungsgemäß eine Einladung zur jährlichen Eigentümerversammlung mit. Tagesordnungspunkt waren unter eine „Aussprache und Beschlussfassung über die weitergehende Maßnahmen zum Legionellenbefall und deren Finanzierung“ Die Einladung erging an alle der ca. 97 Wohnungseigentümer.
Der Tagesordnungspunkt zum Legionellenbefall beinhaltete „Informationsblätter zum Umgang mit der Trinkwasseranlage, Merkblatt für die Inspektion und Wartung von Bauteilen für Trinkwasserinstallationen sowie die Historie der Trinkwasseranlagen als auch die nächsten Beprobungstermine.
Folgende Untergemeinschaften sind von einem Befall (ab 101 Kb) betroffen:
Mit E-Mail vom 17.07. forderte der Kläger, seine Daten für die durchzuführende Eigentümerversammlung zu schwärzen bzw. zu entfernen.
Der Kläger (Eigentümer) behauptet…
- …es liege durch die Veröffentlichung seiner Daten ohne Einverständnis ein Verstoß gegen Art. 6 DSGVO vor. Der Kläger trägt vor, ihm sei ein immaterieller und materieller Schaden entstanden. Es liege eine Rufschädigung vor.
- Zudem habe ein potentieller Käufer seiner Wohnung aufgrund der ihm aus den Reihen der informierten Eigentümer zugetragenen Information des Legionellenbefalls den Kauf abgesagt. Es bestehe eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissen Gewicht erfolgte Beeinträchtigung. Der Kläger begehrt eine Geldentschädigung von pauschal 7.000 € (70 x 100 €). Der Kläger ist insoweit davon ausgegangen, dass die Tagesordnung an 70 unterschiedliche Wohnungseigentümer übersandt worden ist.
- Der Kläger trägt weiter vor, der Datenschutzbeauftragte habe zudem den Verstoß in seiner Email vom 09.08.2019 eingeräumt und hafte deshalb auch aus diesem Schuldanerkenntnis.
- Der Kläger macht zudem weiteren Schadensersatz in Höhe von 300 € geltend. Seitens der Beklagten sei die Email-Adresse des Klägers unautorisiert an deren Prozeßbevollmächtigten weitergegeben worden. Insoweit liege ein abermaliger Verstoß gegen die DSGVO vor.
- Weiter sei im Klarsichtfeld eines Briefes des Beklagtenvertreters an den Kläger dessen E-Mail-Adresse sichtbar gewesen. Zudem begehrt der Kläger die Erstattung von Umsatzsteuer in Höhe von 1.387,- € und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 €.
Die Beklagten (Hausverwaltung und externer Datenschutzbeauftragter) beantragten die Klageabweisung
- Der Datenschutzbeauftragte trägt vor, er sei nicht „Verantwortlicher“ im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Er handele im übrigen nicht als Kaufmann im Sinne des § 343 Abs. 1 HGB, so dass im Hinblick auf ein etwaiges Anerkenntnis bereits die Schriftform fehle.
- Die Hausverwaltung ist der Ansicht, die Nennung der Wohnung des Klägers sowie seines Namens als Eigentümer sei datenschutzrechtlich zulässig. Es liege ein Fall des Art. 6 Abs. 1 b) und c) DSGVO vor. Es bestehe ein Anspruch anderer Wohnungseigentümer aus §§ 13, 14 WEG auf Information. Die Offenlegung der E-Mail-Adresse sei nach Art. 6 Abs. 1 c) und f) zulässig. Ein materieller und immaterieller Schaden sei bereits nicht substantiiert vorgetragen. Es liege zudem keine spürbare Beeinträchtigung vor.
Die Entscheidung
Dem Eigentümer steht kein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.
Die Nennung der Wohnung des Klägers sowie die Nennung des Namens des Klägers als Eigentümer der Wohnung und auch die Nennung des KBE-Wertes stellen keinen Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO dar.
Die Beklagte ist als Hausverwaltung vertraglich gegenüber den Eigentümern und der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, den gesetzlichen und vertraglichen Pflichten einer Hausverwaltung nachzukommen. Andere Wohnungseigentümer haben nach §§ 13, 14 WEG einen Anspruch darauf zu erfahren, in welchen Wohnungen eine Legionellenprüfung vorgenommen wird oder wurde und auch, ob es insoweit einen Legionellenbefall und in welchem Umfang gegeben hat oder nicht.
Insoweit ist zunächst die Nennung der Wohnung und auch die Nennung der Prüfungsergebnisse zulässig. Die Nennung war hier sowohl in der Tagesordnung als auch in der Eigentümerversammlung als Grundlage für die „Aussprache und Beschlussfassung über weitergehende Maßnahmen zum Legionellenbefall und deren Finanzierung“ erforderlich und unabdingbar.
Ohne Nennung der Zahl der Wohnungen, der konkreten Lage der jeweiligen Wohnung und des konkreten Befalls wäre eine Beurteilung und entsprechende Entscheidung in der Eigentümerversammlung nicht möglich gewesen. Nach Auffassung des Gerichts war hier auch die Nennung des Eigentümers aus den genannten Gründen zulässig. Im Hinblick auf die Finanzierung und im Hinblick auf weitergehende Maßnahmen war auch die Nennung der betroffenen Eigentümer erforderlich, gegebenenfalls auch zur Prüfung von Ausgleichsansprüchen gegenüber anderen Eigentümern. Damit lagen die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 lit. b) und c) vor.
Schadensersatzansprüche sind auch der Höhe nach ausgeschlossen.
Materielle Schäden wurden vom Kläger weder vorgetragen noch belegt. Soweit der Kläger behauptet, ein potentieller Käufer seiner Wohnung habe auf Grund der ihm aus den Reihen der informierten Eigentümer zugetragenen Information des Legionellenbefalls den Kauf abgesagt, nachdem er zunächst versucht habe, den Kaufpreis auf Grund des Legionellenbefalls zu reduzieren, stellt dies bereits nicht die Darlegung eines konkreten Schaden dar.
Darüber hinaus scheidet hier ein Schaden bereits deshalb aus, weil der Kläger als Verkäufer einer Wohnung bei einem konkreten Legionellenbefall - wie vorliegend unstreitig gegeben - gegenüber dem Käufer seiner Wohnung aufklärungspflichtig wäre. Die durch Legionellen hervorgerufene Legionärskrankheit kann unbehandelt einen lebensgefährlichen Verlauf annehmen, ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht dabei insbesondere beim Duschen. Von daher wäre es zudem unverantwortlich, den Legionellenbefall in der Wohnanlage nicht insbesondere den Mietern bzw. auch potentiellen Käufern zu offenbaren. Da der Kläger damit selbst aufklärungspflichtig wäre, kann ihm durch die Weitergabe von Informationen darüber hinaus kein Schaden entstehen.
Auch ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens steht dem Kläger nicht zu. Art. 82 Abs. 1 DSGVO sieht zwar eine Erstattungspflicht für immaterielle Schäden vor. Diese Pflicht ist auch nicht nur auf schwere Schäden beschränkt.
Allein die Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründet allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Person geführt haben (vgl. Landgericht Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 -324 S 9/19- juris).
Es ist zwar eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht erforderlich. Andererseits ist auch weiterhin nicht für einen Bagatellverstoß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuelle empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren; vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen.
Würde man hier einen Datenschutzverstoß durch den streitgegenständlichen Tagesordnungspunkt bejahen, läge hiernach den genannten Kriterien kein Fall vor, der die Zuerkennung des Schmerzensgeldes rechtfertigen könnte. Bei der Nennung von Art und Höhe des Befalls handelt es sich um objektive Umstände. Eine erhöhte Kolizahl im Trinkwasser beruht zumeist auf fehlender Wasserzirkulation und Wassertemperaturen im Bereich von 25 bis 50 Grad Celsius. Die Ursache liegt also nicht in der Person des Wohnungseigentümers oder Mieters, sondern in der Regel in der Warmwasseraufbereitung und den Rohrsystemen der Wohnungseigentümeranlage. Die Weitergabe dieser objektiven Befunde an die anderen Wohnungseigentümer ist damit nicht geeignet, den Ruf des Eigentümers zu schädigen oder diesen gar bloßzustellen. Zudem wäre den Eigentümern im Hinblick auf die Wohnungsnummer eine Zuordnung zum Eigentümer durch die Teilungserklärung sowieso möglich
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten auf Grund der Weitergabe der E-Mail-Adresse an den Beklagtenvertreter keine Ansprüche zu.
Es liegt kein Verstoß gegen Art. 82 Abs. 1 DSGVO vor. Die Beklagten haben in berechtigtem Interesse gehandelt. Der Kläger selbst hat wie sich aus dem Klagevortrag ergibt mit den Beklagten überwiegend per Email kommuniziert. Wie der Beklagtenvertreter zu Recht eingewandt hat, ist die E-Mail-Adresse des Klägers auch im Anwaltsportal zugänglich. Deshalb läge hier jedenfalls eine Bagatellverletzung vor, die nicht geeignet ist, Schadensersatzansprüche zu begründen.
Soweit der Kläger Ansprüche zudem auf die Sichtbarkeit der E-Mail-Adresse im Adressfeld des per Post übersandten Schreibens des Beklagtenvertreters stützt, sind hierfür nicht die Beklagten, sondern der Beklagtenvertreter verantwortlich, der vorliegend jedoch nicht in Anspruch genommen wurde.
Dem Kläger steht gegen den externen Datenschutzbeauftragten kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1. DSGVO zu. Er ist als Datenschutzbeauftragter nicht „Verantwortlicher“ im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Verantwortlicher für Verarbeitung von personenbezogenen Daten im datenschutzrechtlichen Sinne war bezüglich der Versendung der Tagesordnung nur die Hausverwaltung.
Soweit sich der Kläger (Wohnungseigentümer) gegenüber dem externen Datenschutzbeauftragten auf ein vermeintliches Schuldanerkenntnis in dessen E-Mail vom 09.08.2019 beruft, fehlt es hier bereits am Schriftformerfordernis.
Mangels Hauptanspruchs bestehen auch die geltend gemachten Nebenansprüche nicht.